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Sehr geehrter Leserin,
sehr geehrter Leser,

gerne komme ich mit einem Update auf Sie zu.

Das Umfeld technologieorientierter Titel bleibt herausfordernd. Die Kombination aus hohen Bewertungsniveaus und einer – zumindest von vielen so wahrgenommenen – angespannten Zinssituation macht eine kurzfristige Richtungsbestimmung aktuell unmöglich.

Losgelöst von der Kursrichtung liefert die aktuelle Berichtssaison reihenweise Rekorde. Sowohl in den Ergebnissen, als auch im Ausblick. „Honoriert“ wird dies insbesondere im Technologiebereich derzeit häufig mit Kursabschlägen.

Die Berichtssaison Q1 2021 im Überblick (Quelle: J.P. Morgan)
Stand der BerichterstattungSchätzung übertroffenSchätzung verfehltAnteil pos. ÜberraschungenEPS – Wachstum vs. Q1 2020
S&P 50082,00%87,00%11,00%24,00%50,00%
Energie95,00%86,00%38,00%38,00%16,00%
Rohstoffe93,00%85,00%12,00%12,00%69,00%
Industrie92,00%88,00%23,00%23,00%-9,00%
Konsum68,00%87,00%13,00%32,00%76,00%
Nahrung /  Basiskonsum59,00%84,00%11,00%9,00%11,00%
Gesundheit84,00%83,00%17,00%8,00%28,00%
Finanzen98,00%94,00%6,00%36,00%130,00%
IT73,00%94,00%6,00%20,00%44,00%
Kommunikation77,00%88,00%12,00%34,00%55,00%
Energie / Versorger79,00%73,00%18,00%5,00%-26,00%
EuroStoxx65,00%78,00%25,00%29,00%53,00%
Energie90,00%56,00%44,00%20,00%52,00%
Rohstoffe71,00%56,00%44,00%20,00%52,00%
Industrie69,00%68,00%32,00%91,00%39,00%
Konsum89,00%88,00%13,00%31,00%51,00%
Nahrung /  Basiskonsum86,00%75,00%25,00%-13,00%78,00%
Gesundheit65,00%100,00%0,00%12,00%6,00%
Finanzen57,00%88,00%12,00%41,00%88,00%
IT80,00%89,00%11,00%41,00%78,00%
Kommunikation45,00%40,00%60,00%4,00%0,00%
Energie / Versorger33,00%60,00%40,00%1,00%8,00%

 

Insbesondere die Wachstumsraten gg. Q1 2020 sind beachtlich. Dies liegt freilich und in erster Linie an dem massiven Einbruch in diesem Krisen-Quartal. In Summe sind die Niveaus des Vorkrisenjahres noch nicht ganz erreicht. Abschläge nach den guten Zahlen sind auch damit zu begründen, dass eine Bewertungskontraktion stattfindet: Die sehr hohen Bewertungen müssen mit entsprechenden Ergebnissen unterfüttert werden. Die aktuell gemeldeten Ergebnisse sind sehr positiv, aber wohl nicht gut genug!?

Ein wesentlicher Treiber der hohen Volatilitäten im Technologiebereich bleibt die Zinsfantasie in den USA.

Rendite der 10-jährigen US-Staatsanleihe (Quelle: Bloomberg, Martagon FO AG)

 

Die US-Zinsen erreichten am 31. März dieses Jahrs ihren Jahreshöchststand mit 1,47%. Der Belastungsfaktor „Zins“ führte schon im Februar zu einem deutlichen Kursrückgang der Tech-Titel, gefolgt von einer Phase des Gleichlaufs mit dem Dow Jones. Am aktuellen Rand scheint der Dow Jones wieder die Oberhand gewinnen zu können.

 

NASDAQ 100 (rot) vs. Dow Jones (blau), indexiert zum 9. Nov. 2020
(Quelle: Bloomberg, Martagon FO AG)

Der „zinsinduzierte“ Rückgang der Tech-Werte ist sicherlich auch darin begründet, dass die Technologiewerte sich im vergangenen Jahr einen immensen Vorsprung erarbeitet haben mit der Folge, dass die Luft in diesen Höhen eben dünner wird.

NASDAQ 100 (rot) vs. Dow Jones (blau), indexiert zum 7. Mai. 2020
(Quelle: Bloomberg, Martagon FO AG)

Während der Dow Jones in einer „zappeligen“ Seitwärtsbewegung Juni 2020 bis Oktober 2020 und Mitte November 2020 bis Ende Januar 2021 gefangen war, war der NASDAQ parallel dazu imstande, kräftige Gewinne aufbauen.

Konsequenterweise stellen sich nun zwei Fragen:

  1. War und ist es richtig, jetzt noch Technologieportfolios oder in gemischten Portfolios Technologieanteile aufzubauen?
  2. Sollte man bestehende Technologieportfolios bzw. den Technologieanteil in bestehenden gemischten Portfolios zurückbauen?

Aus meiner Sicht, lassen sich beide Fragen sehr klar beantworten: Es war und ist richtig, techno­lo­gie­orientierte Aktien einzusetzen. Und man sollte daran auch festhalten.

Folgende Nebenbedingungen sind dafür erforderlich und einzuhalten:

  1. Belastbarkeit in Bezug auf Volatilität

Die Volatilität in diesem Aktiensegment war schon immer höher und wird es mit Sicherheit auch bleiben. Wer in diesem Bereich investiert und die damit verbundenen Chancen nutzen möchte, muss dies aushalten. Das heißt: langfristiger Anlagehorizont verbunden mit der Tatsache, dass das investierte Vermögen zu keinem bekannten Zeitpunkt benötigt wird.

  1. Diversifikation im Portfolioaufbau

Es gibt sehr stark konzentrierte Anlagestrategien im Technologiebereich. Insbesondere im Jahr 2020 konnten diese Strategien die ohnehin starke Performance in diesem Anlagesegment nochmals stark übertreffen. Unsere Strategie setzt auf eine möglichst breite Diversifikation, im Zweifel auch zu Lasten der Renditereichweite.

Diversifikation ist das wirkungsvollste Risikomanagementinstrument. Nicht-titelbezogene Risiken, wie das Risiko steigender Zinsen, lassen sich nicht verringern. Sie müssen schlichtweg akzeptiert werden. Titelspezifische Risken, wie bspw. eine kursbeeinflussende Twitterbotschaft eines CEOs lassen sich durch Diversifikation verringern.

 

 

  1. Branchen- und Unternehmensauswahl

Die Allokation der richtigen Branchen und Unternehmen wirkt sich selbstverständlich stark auf die Renditereichweite aus. Die Branchen müssen die aktuellen und künftigen Megatrends abdecken. Die Welt befindet sich in einem gravierenden Umbruch:

  • Neue Formen der Mobilität
  • Prozesse, Produktionen und Produkte werden autonom
  • Aus physischen Rohstoffen werden Daten, die in nie dagewesener Geschwindigkeit getauscht und verarbeitet werden
  • Neue Technologien werden im Kampf um das Klima ausschlaggebend sein
  • Der Schmierstoff und die Achillesferse sind dabei Chips

Wir setzen in erster Linie auf die jeweiligen Marktführer, sofern diese bestimmte Kriterien erfüllen können. Als Marktführer muss man sich stets gegen Angriffe neuer Unternehmen auf dem Markt verteidigen. Man steht im Fokus von Wettbewerbshütern und anderen regulierenden Institutionen. Daher ist es wichtig, seine relative Wettbewerbsposition verteidigen und ausbauen zu können. Geschaffene Markteintrittsbarrieren sind eine wichtige Voraussetzung. Ausschlaggebend ist allerdings die Innovationskraft des Unternehmens, um in einem disruptiven Umfeld bestehen zu können. – „It´s allways Day 1 at Amazon.” Dies hat Jeff Bezos den Amazon-Aktionären bereits 2016 mitgeteilt. Und Amazon setzt bis heute diese Philosophie kompromisslos um.

  1. Anpassen der Erwartungshaltung

2020 war ein Jahr mit vielen sehr überraschenden und unwahrscheinlichen Ereignissen. Leider waren damit viele negative Aspekte verbunden. Was aber zumindest in den Köpfen von Aktionären bleiben wird, ist eine gigantische Performance der Technologieaktien.

Die Auswirkungen der Corona-Krise waren und sind ein Katalysator für Technologieunternehmen. Verbunden mit einem gigantischen, noch nie da gewesenen Bündel an geld- und fiskalpolitischen Maßnahmen konnten die Aktienkurse einen Rekord nach dem anderen erklimmen. Selbst jüngere Unternehmen mit geringen oder gar keinen Umsätzen (von Gewinnen mal ganz zu schweigen) erreichten Milliardenbewertungen.

Ist das ungesund? Natürlich ist es an vielen Stellen übertrieben. Und die Bewertungen werden sich korrigieren. Wie beispielsweise bei Wasserstoffaktien, die im laufenden Jahr auch mal 30% und mehr verloren haben. Aber die Börse bewertet eben auch und vor allem die Zukunft. Und die Zukunft wird mit Sicherheit weder fossile, noch atomare Energie sein. Es zeigt sich aber einmal mehr, wie wichtig die Diversifikation ist und wieso Unternehmen selektiert werden, bei denen nicht nur die Zukunftsfantasie eine Rolle spielt, sondern die belastbare finanzielle Kennzahlen aufweisen.

Wer in Aktien investiert, muss sich aber auch immer wieder vor Augen halten, dass ein Kursanstieg von über 40%, wie ihn der NASDAQ hingelegt hat, eine Ausnahme bleiben wird.

  1. Geduld

Im Jahr 2020 wurden vielen Entwicklungen der kommenden Jahre komprimiert vorweggenommen. Die Bewertungsaufschläge der kommenden Jahre wurden in wenigen Monaten eingepreist. Aber deswegen sollte man nicht verpassen, die Zukunft auch im Portfolio abzubilden. Es wird jedoch Geduld und auch Leidensfähigkeit notwendig sein. Geduld beim stufenweisen Einstieg und bei der Erwartungshaltung an die Kursentwicklung. Wer hätte sich vorstellen können, dass man eine Aktie wie Apple im März diesen Jahres zu 110 USD kauft und sich über den günstigen Kurs freut?

Bei aller der Bewegung und Unsicherheit bin ich überzeugt: Technologieunternehmen werden die Zukunft noch stärker prägen, als dies bislang der Fall ist. Weiterhin werden viele Unternehmen entstehen und wieder verschwinden. Viele davon werden auch den Weg über die Börse nehmen und Anlegern viel Geld kosten. Umso wichtiger ist es, die oben beschriebenen Punkte zu beachten und Technologietitel in der Vermögensallokation entsprechend zu berücksichtigen.

Ich freue mich sehr auf unsere weiteren Gespräche. Vielleicht ja bald auch mal wieder von Angesicht zu Angesicht.

Bleiben Sie gesund und herzliche Grüße

Ihr
Fridolin Kopp